top of page

Violeta - geboren 06/2015 - 11 kg - 46 cm

Als ich die Bilder der kleinen Podenca Andaluz zum ersten Mal sah, war mir sofort klar, dass ich diesen traurigen, hilfesuchenden und ängstlichen Blick nie wieder vergessen könnte. Angekettet auf einem Olivenhain in Antequera beschränkte sich ihr Lebensraum auf geschätzte drei Meter im Radius. Still und leise ertrug sie die Ungerechtigkeit, die ihr seit Jahren angetan wurde. Eine Hütte hatte sie nicht. Nur ein Olivenbaum bot ihr ein wenig Schutz vor der gleißenden Sonne. Ihr Leben bedeutete quälende Einsamkeit, nagender Hunger, unerbittliche Kälte im Wechsel mit unerträglicher Hitze und soziale Isolation.

Eine Studentin der Tiermedizin aus Malaga hatte mir diese Bilder geschickt, nachdem sie die kleine Violeta, so heißt das arme Geschöpf, auf dem Olivenhain entdeckt hatte. Wochenlang hatte sie alles versucht, um einen Platz für diese kleine Hündin, die gerade einmal 10 kg auf die Waage brachte, zu finden.

„Aber wer hilft in Malaga schon einem Podenco, der dringend operiert werden muss?“, schrieb die junge Frau verzweifelt in ihrer Nachricht „Bitte helfen Sie ihr, ohne Hilfe wird sie sterben!“, waren ihre flehenden Worte.

Ich konnte die Verzweiflung in ihren Zeilen erkennen. Der Tumor der kleinen Hündin war bereits stark gewachsen und man konnte ihn deutlich auf den Bildern sehen.

„Definitiv bedeutet das eine teure Operation“, ging ich die Situation im Kopf durch, „und das bei meinem angespannten Budget.“

Aber was sollte aus ihr werden? Eine realistische Perspektive auf Hilfe gab es in Antequera, fast 500 km von unserem „Podencolitoland“ entfernt, nicht.

24 Stunden dauerte mein innerer Kampf. Zum guten Ende, wie konnte es anders sein, siegte mein Mitgefühl. Der grauenhafte Gedanke an den riesigen Karabinerhaken, der an ihrem alten, abgenutzten Lederhalsband befestigt war und ihr das Recht auf Leben nahm, ließen alle finanziellen Bedenken bedeutungslos werden.  Am darauffolgenden Abend nahm ich also Kontakt zu der Studentin auf.

Ich erfuhr, dass man Violeta schon vor Jahren auf diesen mitten im Niemandsland liegenden Olivenhain gebracht und an die Kette gelegt hatte, weil sie die Hühner der Nachbarn im Dorf gejagt hatte. Jetzt wollte der Besitzer sie erschießen, weil sie einen Tumor unter dem Bauch hatte. Eine Behandlung bei einem Tierarzt kam für ihn nicht infrage. Er war nicht bereit, auch nur einen Cent für ihre Behandlung auszugeben.

Die Entscheidung war gefallen. Violeta sollte als Podencolita ihre Chance bekommen. Mit der Hilfe von Esther Torres gelang es mir, einen Transport von Antequera nach Almansa zu organisieren, wo Violeta sich seit dem Morgen des 10. August als „Mini-Podencolita“ auf einer turbulenten Startbahn in ein neues Leben befindet.

Die Ankunft Violetas in der Pension lag mitten in der spanischen Urlaubs-Hochsaison und fast alle Kleintierpraxen der Region arbeiteten nur mit halber Belegschaft. Es kam beinahe einem Wunder gleich, dass wir dennoch für den 16. August einen OP-Termin incl. der vorher notwendigen Röntgenuntersuchungen zugesagt bekamen.

 

Alles war also gut vorbereitet. Aber so einfach wollte Violeta es sich selbst und uns nicht machen. Am Morgen des 16. August erhielt ich die schockierende Nachricht, dass Violeta spurlos aus ihrem mit einem 2 Meter hohen Zaun umgebenen Freigehege, das zusätzlich mit einer Zementsicherung als Buddelschutz abgesichert ist, verschwunden war. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. „Wie konnte das nur geschehen?“, fragten wir uns, ohne zunächst eine Antwort zu finden. 

Gott sei Dank wird die gesamte Anlage mit Kameras überwacht und so konnten wir später durch die Auswertung der Videoaufnahmen erfahren, dass Violeta es tatsächlich geschafft hatte, über den 2 Meter Zaun und schließlich auch über den noch höheren Außenzaun, der die gesamte Anlage nach draußen zusätzlich absichert, zu klettern. Die letzten Aufnahmen zeigten, wie sie den Weg hinauf zum Wald lief und hinter einer Kurve spurlos verschwand.

 

Wir informierten umgehend alle Tierheime und Polizeistationen der gesamten Region. Durch die sozialen Medien verbreitete sich unsere Suche nach Violeta rasend schnell und schließlich erklärten sich sogar die Ranger mit ihren Wildtierkameras bereit, bei der Suche zu helfen. Alles lief auf Hochtouren und dennoch hatte ich wenig Hoffnung, Violeta jemals wiederzusehen, lag die Pension doch weit außerhalb aller Ortschaften, mitten in einem unzugänglichen, großflächigen Waldgebiet. Wie sollte sie da draußen allein bei über 40 Grad Hitze ohne Wasser und Futter überleben? Es sah wirklich nicht sehr gut aus für Violeta.

Es blieb mir also nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen. Langsam fing ich an, meine Entscheidung zu hinterfragen. Selbstzweifel nagten unerbittlich an mir. War es wirklich richtig, sie aus Antequera nach Almansa geholt zu haben? Durfte ich ihr das alles zumuten? War sie davongelaufen, weil sie ihre „alte“ Welt suchte, den Ort, an dem sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hatte? Wollte sie zurück auf den Olivenhain? Dahin, wo die Kette ihr die Freiheit nahm?

Screenshot 2023-08-17 123050.jpg
WhatsApp Image 2023-08-17 at 10.41.38 (1).jpeg

Die Uhr tickte unerbittlich, und mit jeder Stunde wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass sie irgendwo in der Einsamkeit der Berge am Ende ihrer Kräfte zusammenbrechen würde. Der Gedanke, dass ich niemals erfahren würde, was da draußen aus ihr geworden ist, ließ mich nicht mehr zur Ruhe kommen.

So plötzlich, wie Violeta verschwunden war, überwältigte uns auch die Nachricht eines Lebenszeichens von ihr am frühen Morgen des 17. August. Die kleine Podenca wurde in dem 10 km westlich der Pension liegenden Lagunengebiet „Laguna de Sugel“, in dem es wegen des Wassers viele Wildtiere gibt, gesichtet. Sie können sich meine Freude und Erleichterung sicher vorstellen. Als es dann kurze Zeit später gelang, sie mit viel Glück zu sichern, viel mir „ein riesiger Stein vom Herzen“. Violeta musste einen starken Schutzengel gehabt haben.

Dieser Ausflug hatte selbstverständlich einige Spuren hinterlassen. Violetas Pfoten waren durch die glutheißen Geröllwege stark wundgelaufen, die Ballen teilweise durchgescheuert und blutig. Auch im Gesicht und am Körper hatte sie einige Kratzer und kleinere Wunden davongetragen. In ihrem Fell klebten Blut und Tierhaare. Eine Erklärung dazu habe ich bis heute nicht.

Wir alle waren unglaublich erleichtert und glücklich, Violeta wieder in Sicherheit zu wissen.

Nach einem gründlichen Bad durfte sie fortan im Office als Büro Hund wohnen. Denn nicht der alte Olivenhain, auf dem sie gelebt hatte, war der Grund ihres Davonlaufens. Im Gegenteil, sie suchte die Nähe der Menschen, die sie in den Tagen zuvor in der Pension kennengelernt hatte. Sie hatte so lange auf Zuwendung verzichten müssen. Viele Jahre ihres Lebens hatte die Kette sie gezwungen, die unerbittliche Einsamkeit zu ertragen. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat.

Jeder mitfühlende Mensch kann deshalb verstehen, dass sie aus diesem Grund den Drang verspürte, sich zu befreien. Kein Zaun sollte sie mehr davon abhalten. Sie wollte einfach nicht mehr allein sein. Sie wollte zu den Menschen. Die große Gefahr dieser Aktion konnte sie selbstverständlich nicht einschätzen.

Wir bekamen für den 29. August einen neuen Termin für die dringend erforderliche Operation des Tumors. Es war eine große und anstrengende Operation für die kleine Podencolita, die so viel hinter sich hatte. Aber unsere kleine Violeta ist eine Kämpfernatur. Sie hat letztendlich alles gut überstanden und ist mittlerweile wieder auf dem Weg der Genesung.

Der Tumor war leider bösartig, aber auch hier hat sie Glück im Unglück: Die Röntgenaufnahmen und Untersuchungen haben ergeben, dass sie keine Metastasen hat, und da die Tumorränder komplett und großräumig entnommen werden konnten, ist der behandelnde Tierarzt sehr zuversichtlich, dass kein Tumorgewebe zurückgeblieben ist. Der treue Schutzengel hatte auch hier seine Flügel weit über sie gespannt.

Ich mag gar nicht darüber nachdenken, wie armselig ihr Leben an der Kette zu Ende gegangen wäre, hätten wir sie nicht aus Malaga ins 500 km entfernte Podencolitoland geholt. Meine nagenden Selbstzweifel haben sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt. Ich bin heute froh und dankbar, mich für die Rettung Violetas entschieden zu haben, obgleich mein finanzielles Budget es eigentlich gar nicht zuließ. Die Geschichte von Violetas Rettung in all ihren Facetten ist aber Lohn genug für alle erforderlichen persönlichen und finanziellen Anstrengungen.

Ende September werde ich dann Klarheit darüber haben, wie sehr meine finanziellen „Rücklagen“ durch diese Rettungsaktion angegriffen sein werden. Aber auch hier gilt im übertragenden Sinn das Zitat aus dem Talmud: „Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“. Da dürfen Kosten nur zweitrangig sein. Zudem weiß ich meine Podencolito-Gemeinschaft fest hinter mir, denn Geschichten wie die von Violeta sind der Stoff, aus dem unsere gemeinsame Tierschutz-Vision gestrickt ist. Ich bin zuversichtlich, dass es auch jetzt wieder Schritt für Schritt weitergeht.

Tierschutzkonto: Beate Rost

IBAN: DE73 1007 0024 0335 0147 00

BIC: DEUTDEDBBER

Verwendungszweck: „Violeta“

PayPal: beate.rost@t-online.de

bottom of page